Stadionhistorie
Helvetia Frankfurt. So hieß er. Der erste Gegner, auf den der SV Darmstadt 98 im Böllenfalltorstadion traf. Gespielt wurde am 24. Juli 1921 – die 98er siegten mit 4:1. Viel wichtiger als das Ergebnis war aber das Ereignis: Die offizielle Eröffnung des Stadions im Rahmen einer Sportwoche anlässlich des 21. Verbandstages des Süddeutschen Fußballverbandes. Mehr als 100 Jahre später befindet sich die Heimat des SV 98 noch immer an der Stelle, die damals als Wirkungsstätte der Lilien auserkoren worden war. Der Traditionsstandort Böllenfalltor.
1920er Jahre
In den 20ern bot das Stadion nach seiner Eröffnung rund 8000 Zuschauern Platz und umfasste eine 380 Meter lange Aschenlaufbahn. Das Spielfeld war 65 Meter breit und 105 Meter lang. Auf der Ostseite befand sich die Gegengerade mit einer Erdterrasse, von der aus man auf das Haupt- und auf das Hockeyfeld schauen konnte und die Zuschauer neben- und übereinander standen. Die Nordkurve war ebenerdig. Die Südkurve befand sich auf dem Niveau der teilweise überdachten Sitztribüne auf der Westseite, die sechs Etagen umfasste und 80 Meter lang war.
Krieg und Nachkriegszeit
Ab 1933 begann die komplette Umstrukturierung des deutschen Sports durch Gleichschaltung der Vereine, um dem nationalsozialistischen Regime in diesem gesellschaftlich wichtigen Bereich mehr Einfluss zu geben. Nach Kriegsende im Mai 1945 durfte das Stadion allerdings nicht weiter benutzt werden. Erst Ende der 40er Jahre wurden dann die Bemühungen verstärkt, das Böllenfalltorstadion wieder zurückzubekommen und umbauen zu dürfen. Nach viel Mühe wurde das Stadion zur sportlichen Nutzung zurückgegeben und in den Jahren 1950-1953 neu gebaut. Das Stadion wurde zwar 1952 in Betrieb genommen, es fehlten jedoch noch die Laufbahn und das Tribünendach. Deren Einbau und Einweihung erfolgten 1953. Die Sitztribüne war 90m lang, das Stadion bot ca. 25.000 Zuschauern Platz.
Umbaumaßnahmen
Nachdem sich in den 60ern im Stadion selbst infrastrukturell nicht viel tat, mussten die Lilien im darauffolgenden Jahrzehnt einiges tun: Sportlich waren die 70er eine erfolgreiche Zeit für den SV 98. Für die Teilnahme an der Bundesliga musste der Verein in der Sommerpause 1978 die Stadionkapazität lt. DFB-Statuten auf 30.000 Zuschauer erhöhen. 1981 schaffte man auch dank (zu) großer finanzieller Anstrengungen den Wiederaufstieg in die Bundesliga. Eine Auflage des DFB zum Aufstieg veränderte das Stadionbild bis heute: für 1,8 Mio. Mark wurde die Flutlichtanlage installiert. Heute ist sie eine der identitätsstiftenden Merkmale des Stadions und eine der verbleibenden Teile aus dem alten Stadion im umgebauten Merck-Stadion.
1990er & 2000er Jahre
Die 1990er Jahre waren eine durch und durch schwere Zeit für den Verein. Es war ein Jahrzehnt des Zuschauerschwundes, in dem das Böllenfalltorstadion primär als Ort der sportlichen Ernüchterung fungierte. Infrastrukturell gab es nahezu keine Veränderungen oder Arbeiten am Stadion. Auch in den 2000ern veränderte sich das Bild des Böllenfalltorstadions quasi überhaupt nicht. Allein die Installation einer Anzeigetafel und der Einbau neuer Sitze sorgten für minimale Eingriffe in das Gesamtbild.
Umfassender Umbau im Bestand
Ganz anders das anschließende Jahrzehnt: Die Entwicklung der Lilien in diesem Jahrzehnt war unbeschreiblich, die Veränderungen am und rund um das Böllenfalltor massiv. Mit dem sportlichen Erfolg wurden die Gegebenheiten vor Ort immer schwieriger und an immer größere Auflagen geknüpft. Im Oktober 2016 wurden die beiden neuen Kopftribünen am Böllenfalltor eingeweiht – der Auftakt zum umfassenden Umbau im Bestand, der 2023 abgeschlossen wurde. Im Dezember 2018 erfolgte der Startschuss zum Abriss der altehrwürdige Gegengerade, die im Februar 2020 fertigstellt wurde und seither auf imposante Weise in den Darmstädter Himmel ragt.
Der Neubau der Haupttribüne bildete den Abschluss des umfangreichen Umbaus im Bestand. Im März 2021 erfolgte die offizielle Grundsteinlegung, im Frühjahr 2023 konnte die Tribüne erstmals vollumfänglich in Betrieb genommen werden. Aus dem einst alten und maroden Bereich ist ein Bauwerk entstanden, das nunmehr 19 Logen und rund 900 Business-Seats umfasst und in den Katakomben beste Bedingungen für den sportlichen Bereich bietet. Zudem werden in naher Zukunft die Dächer der Haupt- und Gegengentribüne zur Energieversorgung mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet. Aus einem baufälligen Ort ist Schritt für Schritt ein zeitgemäßes Stadion mit modernem Funktionsgebäude und Trainingsplätzen entstanden. Der Standort Böllenfalltor wurde einem Make-Over unterzogen, ohne dabei sein Geschichte und Tradition zu verlieren.