14.06.2023 / Fans
„Ein Abend, der für immer in Erinnerung bleiben wird“
Jubeltrauben, Freudentaumel. Bierduschen und Party pur. Nein, die Rede ist nicht vom Aufstiegsspiel der Lilien gegen den 1. FC Magdeburg. Vielmehr geht es um den 14. Juni 2022. Der Tag, an dem die Fanmannschaft des SV Darmstadt 98 nach einem spektakulären Relegationsrückspiel (4:3) im Merck-Stadion am Böllenfalltor in die Kreisliga C aufstieg. Über 3.000 Fans verfolgten das Duell mit dem SV Weiterstadt II live im Stadion. Ein besonderes Spiel. Eine besondere Atmosphäre. Ein Jahr danach haben wir uns mit Andreas Degenhardt, dem Trainer der Zwoten, genau darüber unterhalten.
Gude, Andreas! Wer kann besser Uffstiesch feiern – die Profi- oder die Fanmannschaft?
Andreas Degenhardt: „Das wage ich mal nicht zu beurteilen (lacht). Wir waren auf jeden Fall gute zwei Wochen lang am Feiern und sind direkt das Wochenende nach unserem Aufstiegsspiel auf Abschlussfahrt gefahren. Das war schon gut.“
Welche Bilder schießen Dir als erstes in den Kopf, wenn Du an Euren Aufstieg vor einem Jahr im Merck-Stadion am Böllenfalltor denkst?
Degenhardt: „Die Momente direkt nach dem Abpfiff. Jeder von uns ist einfach nur auf den Platz gerannt oder fassungslos zusammengesackt. Schließlich war der Spielverlauf ja doch sehr dramatisch. Es war auf jeden Fall ein Abend, der jedem von uns für immer in Erinnerung bleiben wird.“
Wie war es für Dich und Deine Mannschaft in Eurem Heimatstadion an der Seitenlinie oder auf dem Platz zu stehen?
Degenhardt: „Dieser ganze Tag war irgendwie total surreal. Schon als wir raus zum Warmmachen gegangen sind, haben wir den brutalen Lärm gehört, der bis zum Funktionsgebäude vorgedrungen ist. Und als es dann ins Stadion ging, war es einerseits ein komisches, aber andererseits auch ein total geiles Gefühl. Allerdings lief unser Warmmachen dann natürlich nicht so ab wie üblich, obwohl wir versucht haben, es so normal wie möglich zu halten. Denn jeder von uns hat immer wieder nach oben auf die Gegengerade geschaut und sich gefragt, was denn hier eigentlich abgeht.“
Was hattest Du für ein Gefühl während der 90 Minuten?
Degenhardt: „Wir alle haben das Spiel total genossen. Jede einzelne Minute war einfach nur die pure Freude. Selbst als wir zurückgelegen haben, kam nie das Gefühl der Enttäuschung auf. Denn der Rahmen dieses Spiels war einfach viel zu geil, als das wir am Aufstieg hätten zweifeln können.“
Nun durftest Du als Trainer in der Coachingzone stehen, was sonst nur Torsten Lieberknecht und seinem Trainerteam vorbehalten ist. Gibt es etwas, was Du Dir von ihm abschaust?
Degenhardt: „Torsten ist in seiner Art und Weise ein ganz spezieller, einzigartiger und besonderer Trainer. Ich denke, ich bin ein etwas anderer Trainertyp. Trotzdem hoffe ich, dass wir bald mal eine Gelegenheit finden, um uns auszutauschen.“
Was möchtest Du von ihm wissen?
Degenhardt: „Was mich echt interessiert: Wie schafft man es als Trainer eigentlich, sich in so einer Stadionatmosphäre Gehör zu verschaffen? (schmunzelt) In unserem Spiel kamen die Jungs schon kurz nach Anpfiff nach einer Standardsituation zu mir und haben gesagt: Ey, Coach. Wir hören dich auf dem Platz gar nicht und verstehen uns teilweise auch nicht mal untereinander.“
Wenn über die Profimannschaft berichtet wird, ist meist die Rede von der enormen mannschaftlichen Geschlossenheit. Was zeichnet die Fanmannschaft des SV 98 aus?
Degenhardt: „Als wir vor drei Jahren angefangen haben, waren wir ein komplett neu zusammengewürfelter Haufen. Und trotzdem hatten wir im Team von Anfang an eine gute Beziehung zueinander. Wenn wir zusammen auf dem Sportplatz stehen, sind wir eine geschlossene Einheit. Denn uns alle verbindet der Verein Darmstadt 98. Jeder von uns ist Fan von diesem Verein. Dementsprechend sind wir brutal stolz darauf, jedes Wochenende dieses Trikot tragen zu dürfen – egal, ob an diesem besonderen Tag am Bölle oder im normalen Kreisliga-Alltag. Es ist schließlich nicht alltäglich, dass wir in diesem Trikot auflaufen dürfen. Das versuchen wir als Trainer- und Orga-Team, den Jungs immer wieder vorzuleben. Es zeichnet uns insgesamt aus, dass wir immer mit viel Stolz und Engagement auf jeden Sportplatz fahren.“
Unter den Zuschauern auf den Sportplätzen blickt Ihr auch regelmäßig in bekannte Gesichter. Egal, ob das Torsten Lieberknecht, Co-Trainer Ovid Hajou oder Kapitän Fabian Holland ist: Wie sehr pusht es Deine Jungs, wenn die Profis zuschauen?
Degenhardt: „Enorm. Es ist immer etwas ganz Besonderes, wenn Trainerteam oder Profis sich die Zeit nehmen, um Amateurfußball anzuschauen.“
Lass uns über die vergangene Saison sprechen, die Ihr auf Platz drei beendet habt. Was ziehst Du für ein Fazit unter diese Spielzeit?
Degenhardt: „Dafür, dass es unsere erste Saison in der Kreisliga C war, fand ich sie überraschend gut von uns. Natürlich hat man in der einen oder anderer Situation gesehen, dass uns in dieser Spielklasse noch etwas die Cleverness fehlt. Zudem haben wir gemerkt, dass die anderen Mannschaften gegen uns besonders motiviert waren und immer nochmal zehn Prozent mehr gegeben haben. Wenn die zweiten oder dritten Mannschaften dann auch noch Spieler aus der A-Klasse oder teilweise sogar aus der Kreisoberliga runtergezogen haben, wenn es gegen uns geht, wurde es für uns nochmal ein Stück weit schwieriger. Daher bin ich insgesamt absolut zufrieden mit dem dritten Tabellenplatz.“
Nur einmal kam es in der letzten Saison vor, dass Ihr am gleichen Tag wie die Profis gespielt habt…
Degenhardt: „Genau. Das war an einem Samstag. Unser Spiel wurde erst um 16 Uhr in Seeheim angepfiffen, am Abend hat der SV 98 dann um 20.30 Uhr auswärts in Heidenheim gespielt. Daher mussten wir an diesem Tag auf den einen oder anderen verzichten. Von vornherein war aber ohnehin klar, dass es ein paar Jungs gibt, die zu jedem Spiel der Lilien-Profis fahren werden. Personell ein wenig dezimiert haben wir das Spiel leider knapp mit 0:1 verloren. Ein paar Jungs, die das Spiel in Seeheim noch mitgemacht haben, haben sich danach fix auf den Weg nach Heidenheim gemacht.“
Und haben sie es rechtzeitig geschafft?
Degenhardt: „Nach unserem Spiel sind wir nur kurz im Kreis zusammengekommen. Wir haben besprochen, dass wir die Niederlage erst im Training unter der Woche aufarbeiten und dann habe ich nur noch zu den Jungs gesagt: Jetzt schaut, dass Ihr Euch schnell auf den Weg macht. Tatsächlich waren sie nur fünf Minuten nach Anpfiff in Heidenheim.“
An anderen Spieltagen war es so, dass die Profis am Abend zuvor um 20.30 Uhr gespielt haben und Ihr den Tag darauf um 12.30 Uhr auf dem Sportplatz standet. Wie einfach oder wie schwierig ist es denn bei solchen Terminierungen die Jungs zu motivieren?
Degenhardt: „Das Rückrundenspiel gegen St. Pauli hat uns zum Beispiel in die Karten gespielt – auch wenn wir uns natürlich alle ein anderes Ergebnis gewünscht hätten. Dass die Lilien nicht schon an diesem Samstagabend aufgestiegen sind, war von der Frische der Jungs her definitiv ganz gut für uns (lacht). Ansonsten ist ein Großteil der Mannschaft aber noch jung. Selbst wenn sie am Abend zuvor zwei, drei Bierchen trinken, sind sie mittags wieder fit.“
Aktuell seid auch Ihr in der Sommerpause. Wann geht’s für Euch weiter?
Degenhardt: „Wir starten am 03. Juli in die Vorbereitung, die neue Saison beginnt dann voraussichtlich Anfang August. Wir haben ein paar Abgänge, die wir erst einmal kompensieren müssen. Dann schauen wir, wie sich die Mannschaft findet und wie wir in die neue Saison reinkommen. Wir machen uns aber keinen Druck aufgrund des dritten Tabellenrangs in diesem Jahr. Wir wollen aus unseren Fehlern der letzten Saison lernen und besser werden. Unser Anspruch ist es immer, attraktiv Fußball zu spielen.“
Vielen Dank für das Gespräch.