10.11.2024 / Profis
Der Heimsieg in der Analyse
Gegen eine starke Hertha hatten die Lilien zunächst ein paar Probleme und gerieten durchaus verdient in Rückstand. Ein paar taktische Anpassungen von außen, die richtige Umsetzung auf dem Feld und ein Torjäger mit Turban führten schlussendlich aber doch noch zum Heimsieg. Wir blicken in unserer Analyse nochmals auf das 3:1 der Lilien gegen Hertha BSC.
Szene des Spiels:
Das 2:1 durch Isac Lidberg. Lilien-Spieler mit Turban haben am Bölle eine besondere Tradition. Unvergessen sind insbesondere die Bilder von Aytac Sulu, der im September 2014 mit Gesichtsmaske und Turban die Begegnung gegen Erzgebirge Aue beendete. Isac Lidberg reihte sich gegen die Hertha in diese Aufzählung ein. In der 45. Minute hatte Gegenspieler Zeefuik den schwedischen Angreifer im Kopfduell hart mit seiner Stirn am Hinterkopf erwischt, eine leichte Schwellung mitsamt Platzwunde war die Folge. Nach kurzer Behandlung und den üblichen Testungen bei Kopfverletzungen bekam Lidberg von der medizinischen Abteilung grünes Licht zum Weiterspielen und absolvierte den zweiten Durchgang mit blau-weißem Turban. Und dieser beeinflusste den Fühenden der Zweitliga-Torschützenliste keinesfalls. Nach einer Flanke des eingewechselten Guille Bueno flog Lidberg in der 65. Minute mit voller Überzeugung in den Ball und schädelte diesen zum 2:1 in die Maschen. „Dass er dort hingeht, das zeichnet einen Stürmer aus“, lobte Florian Kohfeldt im Anschluss, während Lidberg selbst erklärte: „Ich habe nicht an die Verletzung gedacht, ich wollte einfach nur treffen.“
Das tat er und brachte seine Mannschaft damit auf die Siegerstraße. Neun Treffer hat die Nummer sieben der Lilien nun bereits auf dem Konto. Das Lob für diese beeindruckende Statistik gibt der Skandinavier an seine Teamkollegen weiter: „Wir spielen guten Offensivfußball, wie sind ein gutes Team, das macht es einfach für mich.“
Das lief gut:
Die Anpassungen im Spielverlauf: „Es wird darauf ankommen, mit einer guten Idee in das Spiel zu gehen. Aber auch darauf, die richtigen Anpassungen im Spiel zu finden.“ Diese Sätze hatte Florian Kohfeldt auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen die Hertha gewählt, um die Herausforderungen der anstehenden Begegnung zu skizzieren. Und er sollte recht behalten. Aufgrund der angespannten Personalsituation der Gäste war es im Vorfeld enorm schwierig, eine mögliche Formation der „Alten Dame“ hervorzuahnen. „In der Vorbereitung auf das Spiel war nicht so ganz klar, was sie machen“, erläuterte der Lilien-Cheftrainer nach Spielende erneut und ergänzte: „Das hat man am Anfang gegen den Ball dann auch gesehen. Wir sind nicht unser Pressing durchgelaufen, sondern haben eher in den Rückspiegel geschaut. Dann wurde es schwer, die individuelle Qualität der Hertha zu verteidigen. In der ersten Halbzeit haben wir es nicht geschafft, sie zu Entscheidungen zu zwingen.“ Folgerichtig waren die Gäste aus der Haupstadt in der ersten halben Stunde die bessere Mannschaft, ohne die Lilien dabei in Grund und Bode zu spielen. Sie verdienten sich aber zumindest die Führung durch Niedelrechner.
Der SV 98 schaffte es jedoch im weiteren Spielverlauf, bereits vor dem Pausenpfiff die „Mannorientierung der Hertha aufzubrechen“ (Kohfeldt) und bekam so mehr Zugriff auf das eigene Spiel. Mitentscheiden dafür waren auch kleinere taktische Umstellungen, die insbesondere nach dem Seitenwechsel vollends zum Tragen kamen. „Nach der Pause haben wir mit Andi Müller häufiger eine Dreierkette gebildet, damit wir Philipp Förster auf der acht in den Spielaufbau bekommen“, verriet Kohfeldt, der zudem auch der Beobachtung zustimmte, dass die Stürmer Lakenmacher, Lidberg und Vilhelmsson im Laufe des zweiten Durchgangs immer wieder ein wenig mehr auf die Flügel auswichen, während Killian Corredor mit seiner Laufstärke vermehrt im Zentrum hinter den Spitzen agierte.
„Wir haben gute Sachen von Außen mitbekommen“, resümierte Andi Müller angesichts der taktischen Kniffe im Laufe der Begegnung, die der SV 98 auf dem Platz sehr gut umsetzte. Und das, obwohl die erste Übermittlung der Anpassungen denkbar ungünstig ablief, wie Kohfeldt mit einem Lachen zugab: „Es war quasi der Worst Case, dass wir Killian Corredor den Zettel geben mussten. Denn er kann kein Deutsch und kein Englisch. Aber er stand nunmal in der Nähe.“
Gefruchtet haben die Änderungen dennoch. Und sie waren mitentscheidend für den Heimsieg der Südhessen.
Das lief nicht gut:
Die erste halbe Stunde: Die ersten 30 Minuten der Lilien waren keineswegs schlecht, sie waren aber die schwächste Phase der Lilien im gesamten Spielverlauf. Und sie erinnerten Kohfeldt ein wenig an die Auftritte seiner Mannschaft zu Beginn seiner Amtszeit: „Wir waren ein wenig passiv, wir haben bei Ballverlust abgewartet und kein Gegenpressing gespielt.“
Insbesondere dank des starken Michaël Cuisance hatte die Hertha dadurch die größere Spielkontrolle, konnte gegen zurückweichende Lilien im Offensivbereich häufig mit zu viel Platz aufdrehen und entsprechend schalten und walten. „Wir haben die Situationen nicht gut abgesichtert, da hatte Hertha gute Phasen, das haben wir dann im Laufe des Spiels deutlich besser verteidigt und hatten so selbst mehr Druckphasen.“
Es spricht für die Entwicklung des SV 98, dass sie Probleme in ihrem Spiel zunächst erkannten, dann die entsprechenden Anpassungen vornahmen und schlussendlich so erfolgreich sein konnten.