05.10.2024 / Profis
Analyse: So biss sich der SV 98 in Karlsruhe zurück
Schwieriger Beginn, dann aber furios auftrumpfende Lilien, die sich selbst aller Fesseln der Anfangsphase entledigten. Während sich der SV 98 beim packenden 3:3 in Karlsruhe zu einem leidenschaftlichen Auswärtsauftritt aufschwang und seinen Gegner laut KSC-Trainer Christian Eichner streckenweise „panierte“, gab es dennoch Dinge, an denen Lilien-Chefcoach Florian Kohfeldt in der Länderspielpause ansetzen kann und will. Mit einem Tag Abstand beleuchtet sv98.de das Spektakelspiel im Wildpark: Das Positive und das Kritikwürdige in der Analyse.
Szene des Spiels:
Der aberkannte Treffer zum Ausgleich. Der SV 98 trat wie entfesselt aus der Kabine, nach zwei Halbchancen des eingewechselten Luca Marseiler und Philipp Förster traf Letztgenannter nach 49 Minuten für seine Farben. Vorausgegangen war ein aggressives Pressing, welches die Hintermannschaft der Fächerstädter in die Bedrouille gebracht hatte. Auch wenn sich Vorlagengeber Isac Lidberg im Abseits befand, bewies die Szene allen Beteiligten endgültig: An diesem Freitagabend geht was im Wildpark.
Das lief gut:
Die Moral. Viel lief in der Anfangsphase gegen die Lilien und andere Mannschaften – vor allem in der Situation der Lilien – wären vermutlich daran zerbrochen. Die Südhessen aber zogen sich am eigenen Schopfe aus dem Sumpf und bissen sich im Laufe des ersten Durchgangs in die Partie. „Großes Lob an die Mannschaft, dass sie sich innerhalb der ersten Halbzeit selbst wieder gefangen hat“, sagte Florian Kohfeldt in Richtung seiner Schützlinge: „Denn ab dem 1:2 bis zur 70. Minute haben wir ein überragendes Spiel gemacht – und zwar in beide Richtungen. Wir hätten deutlich höher führen müssen.“ Und selbst nach dem 3:3-Gegentreffer aus dem Nichts, fielen die Lilien nicht in alte passive Muster zurück, sondern blieben stabil. Mit unangenehmen Phasen im Spiel klarkommen und gegen diese ankämpfen. Auf diese Resilienz und Wehrhaftigkeit wird es auch in den nächsten Wochen kommen.
Das Spiel mit Ball. Bereits in den vergangenen Wochen war besonders im Spiel mit dem Ball Kohfeldts Spielidee innerhalb kürzester Zeit erkennbar. Die Auswärtspartie im Karlsruher Wildpark bestätigte die Entwicklung. Mehr noch: Die Mannschaft hatte einen vor Selbstbewusstsein strotzenden KSC phasenweise an die Wand gespielt. Oder wie es KSC-Trainer Christian Eichner knapp zusammenfasste: „Wir wurden paniert.“ Viele Abläufe, Laufwege und wichtige zu bespielende Räume lassen sind in der Vorwärtsbewegung sichtbar. Zehn Tore erzielte der SV 98 in den ersten vier Begegnungen unter Kohfeldt. Überhaupt hatten die Lilien gegen Karlsruhe in allen relevanten Statistiken die Nase vorn. Die Excpected-Goals-Statisitk wies bei den Gästen einen Wert von 2,84 aus (Karlsruhe: 1,27). „Unsere Entwicklung ist mehr als sichtbar“, befand denn auch Kohfeldt, betonte aber mit Nachdruck: „Es wäre aber schön, wenn wir unsere fußballerische Entwicklung demnächst auch in drei Punkte ummünzen.“
Das lief nicht gut:
Der Spielbeginn. Karlsruhe legte vor eigenem Publikum los wie die Feuerwehr und entfachte enormen Druck auf das Tor der Lilien. Gewiss: In der 2. Liga, in der das qualitative Gefälle nicht so groß ist wie im Oberhaus, wird es immer wieder Spielsequenzen geben, in denen das Pendel für den Gegner ausschlägt. Dennoch hätte sich der SV 98 nach den ersten 15 Minuten bei größerem Karlsruher Zielwasser bereits frühzeitig vor einer scheinbar unlösbaren Mammutaufgabe stehen können. Kohfeldt monierte hinterher: „Nach 15 Minuten kann das Spiel hier für den KSC gegessen sein. In diesen ersten 15 Minuten hatte ich Sorgen, dass wir überrollt werden.“
Die Gegentor-Anzahl. Dreimal musste Marcel Schuhen hinter sich greifen und den Ball aus dem Netz fischen, das ist erneut zu viel. Die Automatismen im Defensivverhalten – welches bereits in der vergangenen Saison dafür sorgte, dass man frühzeitig die Hoffnung auf den Bundesliga-Klassenerhalt beerdigen musste – stimmen weiterhin nicht. Auch eine Liga niedriger agiert man oft noch zu sorglos und die Abstände gestalten sich zu groß. Trainer Florian Kohfeldt will die Länderspielpause neben einem größeren Athletikblock daher auch dazu nutzen, seine Prinzipien und Ansätze im Spiel gegen den Ball noch weiter zu festigen. Es werde keine klassische Länderspielpause geben: „Wir wollen gerade im Defensivverhalten eine Schippe drauflegen, insbesondere in individuellen Zweikämpfen und in der Abstimmung. Das gefällt mir noch nicht so gut.“ Immerhin: Rund eine Halbzeit lang (von der 30. bis ca. zur 75. Minute) entfachten die Lilien nicht nur eine enorme offensive Wucht, sondern schafften es gleichzeitig mit Bissigkeit, Gier und Leidenschaft, den Gegner weit vom eigenen Tor wegzuhalten und zu keiner Torchance kommen zu lassen. Ein Hoffnungsschimmer.